Siba Naddaf: Perspektiven auf die Ausstellung

Vitrine B – Barriere, (Foto: Haus der Geschichte/Werner Kuhnle)

Mein Name ist Siba Naddaf, ich komme aus Syrien und wohne seit ungefähr drei Jahren in Stuttgart. Vor Stuttgart habe ich einen Monat lang in Karlsruhe gewohnt, in einer Asylunterkunft, wo ich als Flüchtling und Rollstuhlfahrerin eine schwere Zeit erlebt habe. Und von dem Erlebnis in Karlsruhe wurde in diesem Ausstellungsprojekt in der Vitrine B berichtet. B steht hier für Barriere. Barrieren, die ich immer noch erlebe. Was ich in Karlsruhe erlebt habe, erlebe ich leider heute noch.

Erlauben Sie mir hier, Ihnen eine kurze Geschichte zu erzählen. In Karlsruhe habe ich in einem Zimmer im ersten Stock gewohnt. Im Haus gab es einen Aufzug. Den durfte ich aber nicht verwenden. Damals war es Frühling und im Garten war alles schön. Ich wollte den Frühling genießen, wie alle andere Menschen. Ich wollte die Bäume und die Blumen im Garten sehen, und die Vögel auch. Ich konnte aber nicht. Alle konnten nachmittags in den Garten gehen, und ich bin in meinem Zimmer geblieben. Ich habe von meinem Fenster aus nur Fotos gemacht. Die dortigen Mitarbeiter durften den Fahrstuhl nutzen. Ich durfte aber nicht und das habe ich damals nicht verstanden. Das verstehe ich immer noch nicht.

Siba Naddaf und ihr Verlobter bei der Ausstellungseröffnung. (Foto: Haus der Geschichte/Werner Kuhnle)

Mein Verlobter, der vor über einem Jahr aus Syrien geflüchtet ist, und der vor allem nach Deutschland gekommen ist, weil ich in Deutschland bin, und weil wir zusammen leben wollen und endlich miteinander sein wollen, wohnt seither in einem anderen Bundesland. Am Münchner Bahnhof wurde er bei seiner Ankunft in ein anderes Bundesland verteilt, nach Nordrhein-Westfalen und er darf jetzt nicht zu mir umziehen. Sie wissen vielleicht schon, dass vor einigen Monaten neue Gesetze erlassen wurden, nach denen anerkannte Flüchtlinge nicht in ein anderes Bundesland umziehen dürfen. Klar und verständlich, dass die Gesetze erlassen worden sind, damit die neu Kommenden nicht alle in den gleichen Stadtvierteln wohnen und die Chance haben, sich gut in die deutsche Gesellschaft zu integrieren und vor allem die deutsche Sprache zu erlernen. Und damit bin ich einverstanden.

Das gilt aber nicht für alle. Das gilt nicht für uns. Mein Verlobter und ich haben keine Integrationsprobleme. Ich bemühe mich, die deutsche Sprache richtig gut zu lernen und mein Verlobter auch, obwohl er noch nicht einen Deutschkurs besucht. Alles, was wir wollen, ist einfach miteinander leben zu können. Mein Verlobter wurde vor kurzem als Flüchtling anerkannt. Obwohl er schon das Amt in der persönlichen Anhörung wissen hat lassen, dass wir verlobt sind und miteinander sein wollen, wurde das nicht berücksichtigt. Statt dass er einen Bescheid bekommt, in dem steht, dass es ihm erlaubt ist, zu mir umzuziehen, hat er gleich nach der Anerkennung einen Bescheid bekommen, dass er den Wohnsitz nicht verlassen darf.

Die Situation, die ich in Karlsruhe erlebt habe, erlebe ich nun noch einmal. Jetzt wohne ich in Stuttgart allein in meiner Wohnung. Mein Verlobter wohnt seit eineinhalb Jahren in einem anderen Bundesland. Das Zusammenleben mit ihm ist der Frühling, den ich in Karlsruhe nicht genießen konnte. Der Aufzug ist auch vorhanden. Aber wir dürfen ihn wegen eines Gesetzes nicht verwenden. Der Umzug ist nicht möglich wegen eines Gesetzes. Ich darf mit meinem Verlobten nicht leben und ich verstehe das nicht. Mit Hoffnung und Mut und vor allem mit Glauben an das Menschenrecht auf Gleichberechtigung, versuche ich diese Barriere zu überschreiten und bin aller Hoffnung, dass meine Worte die Ohren derjenigen, die die Macht haben, uns zu erlauben, diesmal den Aufzug zu benutzen, erreichen.

Zum Schluss möchte ich Deutschland für alles danken, was es für uns getan hat. Ich möchte auch Frau Sophie Reinlaßöder und Frau Dr. Caroline Gritschke dafür danken, dass sie mir die Chance gaben, an diesem tollen Ausstellungsprojekt mitzumachen. Ich bin immer gerne im Haus der Geschichte und finde es das tollste Museum in Stuttgart! Ich wünsche Ihnen auch einen schönen Besuch. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.