Projektbeteiligte der Ausstellung Überlebensgeschichten von A Bis Z berichten: „Wo stehe ich heute?“

Mit dem Museumsgespräch „Wo stehe ich heute?“ startete am 8. April 2018 das Begleitprogramm zur zweiten Ausstellungphase von  Überlebensgeschichten von A Bis Z – Dinge von Geflüchteten. Die Projektbeteiligten Ali Sahil Shawket, Arnaud Sadio, Rex Osa und Rauaa Albakhit berichteten über ihre aktuelle Situation und was sich für sie seit der Ausstellungseröffnung im Februar 2017 verändert hat.

Rauaa Albakhit im Gespräch vor ihrer Vitrine Q wie Qualifikation. (Foto: Werner Kuhnle)

Seit Februar 2017 erzählen in der Vitrine Q wie Qualifikation der fehlerfreie Sprachtest von Rauaa Albakhit und die Lieblingsbücher ihrer Kinder davon, wie wichtig das Erlernen der neuen Sprache für die junge Frau ist.

Die Vitrinie Q wie Qualifikation von Rauaa Albakhit mit Sprachtest und Kinderbüchern. (Foto: Werner Kuhnle)

Auch heute noch spielt das Deutschlernen eine große Rolle für sie, berichtet Rauaa Albakhit:

Mein Name ist Rauaa Albakhit und ich komme aus Homs in Syrien. Mit meiner Familie bin ich vor 4 Jahren nach Deutschland gekommen.

Für mich ist Deutschlernen immer noch wichtig! Ich habe im Juli 2016 den B1 Kurs* abgeschlossen, danach habe ich zwei Monate einen Computerkurs bei der AWO (Arbeiterwohlfahrt) besucht. 2017 habe ich einen Online-Kurs bei der Stadtbibliothek gemacht und habe gelernt wie man einen Lebenslauf und eine Bewerbung schreiben kann. Seit 3 Monaten mache ich privat den B2 Kurs und möchte eine externe Prüfung machen. Ich lerne Deutsch und umgekehrt kann ich auch meine Sprache weitergeben. Ich gebe meiner deutschen Freundin einmal pro Woche Arabisch-Unterricht. Es ist auch schön, wenn sich jemand für Arabisch interessiert.

Meine Kinder haben mit der Sprache ein gutes Gefühl. Sie sind nicht mehr in Vorbereitungsklassen (Sprachförderung), sondern in normalen Klassen! Die beiden großen Kinder haben die Empfehlung zur Realschule und ich habe sie bei der Gemeinschaftsschule angemeldet.

Wir haben auch Schwierigkeiten: Mein Mann ist Polsterer und Tischler. Es fällt ihm schwer theoretisch zu lernen. Er würde arbeiten, aber es ist schwer. Er findet keinen Job, obwohl er die Erfahrung hat. Das belastet die ganze Familie. Ich wollte eine Ausbildung machen, aber ich muss erst das B2-C1 Niveau erreichen. Ich habe Angst vor der Berufsschule, ob ich alles verstehen werde.

Die Leute fragen mich immer: „Wie kommst Du ins Museum?“ Ich war im Frauencafé als die Mitarbeiterinnen des Museums zu uns gekommen sind und die Idee der Ausstellung erklärt haben. Es hat mir gefallen an der Ausstellung teilzunehmen. Die Führungen durch die Ausstellung „Überlebensgeschichten von A bis Z“ sind ein tolles Angebot und eine neue Erfahrung für mich, weil ich mehr Kontakt bekomme. Auch finde ich es schön, wenn jemand unsere Geschichte hören will.

Was denke ich über Baden-Württemberg? In Baden-Württemberg bin ich nicht mehr fremd. Wir leben miteinander, Deutsche und Flüchtlinge. Ich habe jetzt viel Kontakt und viele Freunde.

Vielen Dank an die Mitarbeiterinnen des Museums. Es hat mich sehr gefreut, als ich gehört habe, dass die Ausstellung bis 2019 verlängert wird. Ich freu mich, wenn noch viele Menschen die Ausstellung besuchen.

* B1 bezeichnet die Niveaustufe des Deutschkurses. Niveaustufen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen: A1 für Anfänger bis C2 für das höchste sprachliche Niveau.

 

Von Chador zu Chiffre: Neue Exponate zur Verlängerung der Ausstellung „Überlebensgeschichten von A bis Z“

Das Ausstellungsprojekt „Überlebensgeschichten von A bis Z – Dinge von Geflüchteten“ wird aufgrund des großen Interesses der Besucherinnen und Besucher bis zum 24. Februar 2019 verlängert. Besonders Schulklassen und Freiwilligendienstleistende kommen gezielt zu Führungen und Gesprächen mit geflüchteten Projektbeteiligten und tauschen sich mit ihnen aus.

In das zweite Jahr startet das Ausstellungsprojekt mit zwei neuen Objekten. Seit der Ausstellungseröffnung im Februar 2017 waren in der Vitrine C wie Chador das Gebetstuch und die Perlenkette einer Iranerin zu sehen, die sie auf der Flucht begleitet hatten. Die wertvollen Erinnerungsstücke an ihre Schwiegermutter und Mutter kehren nach einem Jahr zu ihrer Besitzerin zurück.

In der Vitrine sind seit März 2018 zwei neue Exponate zusehen: ein Geldbeutel und eine 100-Rupien-Banknote. Der Buchstabe C steht nun für Chiffre.

Die neuen Exponate kommen ins Museum. Bisher wurden sie sicher in der Sammlung des Museums aufbewahrt. (Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg)

Die neuen Exponate gehören Arif Ullah aus Pakistan und sind Erinnerungen an ein vergangenes Leben, an die wertvollen Momente, die er in seinen Hosentaschen nach Europa brachte. Mit viel mehr kam Arif Ullah nicht in Baden-Württemberg an. Seine Flucht dauerte drei Monate. Auf der Überfahrt nach Griechenland drohte das überfüllte Boot unterzugehen, die Menschen mussten all ihre Sachen über Bord werfen. Nur was er am Körper trug, konnte Arif Ullah retten.

Nach dem Exponattausch wird die Vitrine C wieder geschlossen. (Foto: Haus der Geschichte Baden-Württemberg)

Zum Auftakt der Verlängerung von „Überlebensgeschichten von A bis Z“ berichten Projektbeteiligte am 8. April 2018 im Haus der Geschichte über ihre aktuelle Situation. Was hat sich geändert? Würden sie heute andere Dinge in den Vitrinen ausstellen und neue Geschichten erzählen?

Wir laden alle Interessierten herzlich zum Talk mit Objekten am 8. April 2018 um 14.30 Uhr ins Haus der Geschichte Baden-Württemberg ein.

Kleider und Tradition in Somalia

Samiira Abdi Ibrahim präsentierte am Sonntag, 14. Mai im Haus der Geschichte modeinteressierten Frauen traditionelle Kleidung aus ihrer Heimat Somalia. Als erstes zeigte Samiira Abdi Ibrahim sich in einem aufwendig gewickelten Kleid aus Baumwolle. Die Farben Rot, Gelb und Orange wie das Muster sind bei diesem Kleid, das zur Hochzeit getragen wird, fest vorgegeben und variieren von Kleid zu Kleid nur leicht. Dazu gehört ein handgemachtes Gefäß aus Holz, in dem Kamelmilch bei der Hochzeit aufbewahrt und den Gästen gereicht wird.

Traditionelles somalisches Hochzeitskleid. (Foto: Haus der Geschichte)

Das zweite Ensemble, welches zu festlichen Anlässen getragen wird, besteht aus drei Teilen: einem mit Perlen reich verzierten Unterrock aus Seide, dem gorgorad, dem darüber getragenen dirac, einem gemusterten, leicht durchsichtigen Oberteil mit quadratischem Schnitt, und dem garbasaar, einem großen, reich verzierten Kopftuch. Der bodenlange dirac wird ein Stück in den Unterrock gesteckt, um ihn etwas zu raffen.

Festlicher dirac. (Foto: Haus der Geschichte)

Zuletzt zeigte Samiira Abdi Ibrahiim ein weit geschnittenes, orange-gelbes Kleid, das somalische Frauen im Alltag tragen. Kleider in kräftigen Farben und bunten Mustern und Prints, teils mit Pailletten, Perlen und glitzernden Fäden verziert sind bei somalischen Frauen sehr beliebt.

Samiira Abdi Ibrahim in einem somalischen Alltagskleid. (Foto: Haus der Geschichte)

Samiira Abdi Ibrahim stellte die Kleider vor, erzählte von den Anlässen zu denen man diese tragen kann, von somalischen Hochzeitsbräuchen wie dem Schmücken der Arme und Hände mit Henna und von der Lebensweise von somalischen Frauen in Somalia sowie Deutschland. Abschließend berichtete die junge Frau von ihrer gefährlichen Flucht über das Mittelmeer. Die Vitrine D wie Dhar (auf Somali: Kleidung) zeigt das Kleid, das Samiira Abdi Ibrahim auf dem Weg nach Baden-Württemberg getragen hat.

Besucherinnen der Modenschau. (Foto: Haus der Geschichte)

Die Besucherinnen der Modenschau waren sehr interessiert und stellten zahlreiche Fragen zur Mode und Tradition in Somalia. Unterstützt wurde Samiira Abdi Ibrahim von Naima Qasim als Übersetzerin und ebenfalls aus Somalia stammenden Freundinnen, die ihr beim Anziehen der Kleider halfen. Im Anschluss drapierten diese die Kleider auf Figurinen, sodass die Besucherinnen die farbenfrohen Stoffe, funkelnden Perlen und schwierigen Wickeltechniken aus der Nähe bewundern konnten.

Samiira Abdi Ibrahim und ihre Übersetzerin Naima Qasim (Foto: Haus der Geschichte)

Beitrag des Refugee Radio über die Ausstellung „Überlebensgeschichten“

Das Refugee Radio berichtete in der Sendung vom 28. Februar 2017 über die Ausstellungsintervention „Überlebensgeschichten von A bis Z“.

Das Refugee Radio des Freien Radios für Stuttgart ist selbst Teil der Ausstellung. Die erste Sendung des Radios ist in der Vitrine L – Listen zu hören.

Redaktionsteam im Studio des „Refugee Radio“ im Freien Radio für Stuttgart

 

Das Refugee Radio ist am ersten bis vierten Dienstag im Monat von 17 bis 18 Uhr in Stuttgart mit Antenne unter 99,2 MHz und via Kabel unter 102,1 MHz zu hören.

Hallo Syrien, Hallöchen Deutschland

Nour Katab führt bei der Eröffnung am 19. Februar die Besucherinnen durch die Austellung. (Foto: Haus der Geschichte/ Werner Kuhnle)

Ich heiße Nour, bin 22 Jahre alt und Student des Bauingenieurwesens an der Hochschule in Biberach. Ich bin hier seit einem Jahr und 5 Monaten. Das war am Anfang schwierig mit dem Deutsch lernen, aber wichtig, dass man an seine Zukunft denken soll und niemals aufgeben. Das braucht nur Zeit und Geduld. Ich bin heilfroh, dass ich einen Studienplatz bekommen habe. Ich habe meine eigene Wohnung mit meiner Familie, einen Führerschein und bald ein Auto. Ich hab alles eingerichtet und es läuft genau nach Plan. Das hat mich sehr gefreut, dass ich an diesem Projekt teilnehmen durfte.

Ich möchte mich bei allen für Ihre Mühe bedanken.

Ich wünsche allen alles Gute und viel Erfolg.

Eröffnung von A bis Z ein voller Erfolg

Eröffnung im Haus der Geschichte. (Foto: Haus der Geschichte/Werner Kuhnle)

Die Ausstellungsintervention „Überlebensgeschichten von A bis Z“ ist am 19. Februar 2017 eröffnet worden. Die Projektbeteiligten Rajab Abd Almuati, Arnaud Frejus Sadio Kanouo vom Refugee Radio des Freien Radios für Stuttgart und Siba Naddaf haben in zwei Beiträgen in zwei Reden ihre Perspektiven auf das Projekt und auf die Situation von Geflüchteten in Deutschland vorgestellt. Die beiden Redakteure berichteten von den Chancen, die ihnen die selbstbestimmte Arbeit beim Refugee Radio bietet. Siba Naddaf erzählte von den Barrieren, die es als Geflüchtete in Deutschland zu überwinden gilt.

Arnaud Frejus Sadio Kanuou und Rajab Abd Almuati. (Foto: Haus der Geschichte/Werner Kuhnle)
Siba Naddaf. (Foto: Haus der Geschichte/ Werner Kuhnle)

Begleitet wurde die Eröffnungsfeier von den iranischen Musikern Keyvan Bahonar und Sasha Motaghi. Projektteilnehmer Nour Katab gab im Anschluss die erste Führung durch die Ausstellung. Der junge Syrer stellte unter anderem auch die Vitrine Z wie Zulassung vor, die von seinen Bemühungen um einen Studienplatz in Deutschland erzählt.

Nour Katab führt durch die Ausstellung. (Foto: Haus der Geschichte/Werner Kuhnle)
Projektbeteiligter Bahram Danesh mit dem Ausstellungskatalog „Überlebensgeschichten von A Bis Z“. (Foto: Haus der Geschichte/Werner Kuhnle)

Projektbeteiligte aus Stuttgart, Loßburg, Ochsenhausen oder Weissach haben den Weg auf sich genommen, um bei der Eröffnung der Ausstellung dabei sein zu können. So hatten die Besucher die Möglichkeit die Menschen hinter den Vitrinen kennenzulernen und Fragen zu stellen. Viele Projektteilnehmerinnen tauschten sich über ihre Mitarbeit an der Ausstellung aus oder nutzten die Möglichkeit das Haus der Geschichte näher kennenzulernen. So saßen die meisten Besucherinnen und Projektbeteiligten im Anschluss an die offizielle Eröffnung noch lange bei lebhaften Gesprächen zusammen.

Besucherinnen vor der Vitrine U – Untergehen. (Foto: Haus der Geschichte/Werner Kuhnle)

 

 

Ein Blick hinter die Kulissen: Die Exponate ziehen ein

Mit dem Glassauger wird die Vitrine geöffnet. (Foto: Haus der Geschichte)
Vorbereitungen. (Foto: Haus der Geschichte)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ende Januar 2017: Der Aufbau der Ausstellung „Überlebens-geschichten“ im Haus der Geschichte begann und zwar zunächst mit dem Ausräumen des bisherigen Baden-Württemberg-ABCs. Mit einem Glassauger, einem Kran mit vier Saugnäpfen, wurden die schweren Glashauben der Vitrinen angehoben und anschließend vorsichtig die bisherigen ABC-Objekte herausgeholt.

Schon seit mehreren Wochen hatten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Abteilungen Sammlung und Medientechnik Tonaufnahmen und Bilder bearbeitet, Sockel und Halterungen gestaltet und überlegt wie die Objekte präsentiert werden sollen. Eine knifflige Aufgabe bei einem breiten Rollstuhl, einem zwei Meter langen Transparent und einer klitzekleinen SIM-Karte. Für ein Objekt, das somalische Kleid in Vitrine D, wurde gleich eine neue, höhere Glashaube benötigt, um es in voller Länge zeigen zu können.

Allerlei Gerätschaften waren für den Aufbau notwendig: vom Maßstab über den Fensterwischer bis zum Zahnarzt-Messer. Der Aufbau fand während der Schließzeiten statt, und es wurde an allen Ecken und Enden parallel gearbeitet. Während das Sammlungsteam die Sockel vorbereitete, öffneten die Handwerker bereits die nächsten Vitrinen, das Reinigungspersonal sorgte für streifenfreien Glanz und die Techniker kümmerten sich um das Licht, den Ton und die Bilder.

Nach und nach wurden die wertvollen Exponate vorsichtig mit weißen Handschuhen aus ihren Kartons geholt und auf durchsichtige Sockel gestellt, in Gläser gefüllt oder mit Hilfe von Figurinen in Form gebracht und auf Ständern aufgehängt.

Das somalische Kleid für die Vitrine D – Dhar. (Foto: Haus der Geschichte)
Der Fußballpokal für die Vitrine W – Wohnen wird auf einem Sockel befestigt. (Foto: Haus der Geschichte)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Es wurde genau abgemessen, wo der Fußballpokal in der Vitrine W und das Gemälde in Vitrine U stehen sollen, der Chador mehrfach gefaltet bis er perfekt lag, die Figurine mit Polstern versehen, damit das Kleid in Vitrine D gut sitzt und der Imkerhut in Vitrine V so gehängt, dass die Besucherin sich vorstellen kann, wie man ihn trägt und nutzt. Zuletzt rückte dann wieder der Glassauger an, um die fertige Vitrine zu schließen. Welche Geschichten die Objekte in den neu gestalteten Vitrinen erzählen, können die Besucher bei der Eröffnung der Ausstellungsintervention am 19. Februar um 14 Uhr herausfinden!